Wie verhält es sich mit der Solidarität für hart arbeitende Niedrigverdiener und den kirchlichen Tugenden?
BERLIN. Die Arbeitsrechtliche Kommission (ARK) der Caritas hat am 25.02.2021 dem Antrag zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Tarifvertrags Altenpflege, zur Regelung der Mindestbedingungen im Bund nicht zugestimmt. Eine Mehrheit der Stimmen für den Antrag scheiterte an der Verweigerung der Arbeitgeber in der ARK (Bundekommission) der Caritas.
Damit wurden die vielfältigen Bemühungen der Gewerkschaft ver.di, der „Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche“ (BVAP) sowie von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nach einer bundesweit einheitlichen Regelung ausgehebelt.
Die ARK der Diakonie Deutschland hat sich parallel, so aus der Verantwortung gestohlen, indem die Diakonie Arbeitgeberseite unmittelbar nach der Caritas Entscheidung, erst gar nicht mehr abstimmen wollte und sich mit diesem Ränkespiel gegen die Arbeitnehmerseite in der ARK durchsetzte.
Zu vermuten ist, dass die wahren Gründe der Ablehnung durch die kirchlichen Sozialwerke, darin begründet liegen, dass sie befürchten ihr eigenes Tarifsystem, der „Dritte Weg“, könnte durch eine Anbindung an einen Tarifvertrag grundsätzlich beschädigt werden – und somit ihre Eigenständigkeit gefährdet wäre.
Der vorliegende Tarifvertrag würde in die Strukturen des Tarifgefüges der Caritas eingreifen, begründete Norbert Altman, Sprecher der Arbeitgeber des Verbandes, die Ablehnung.
Für den Sprecher der Arbeitnehmerseite in der Caritas ARK, Thomas Rühl, geht die Absage der bundesweiten Tarifregelung hingegen zulasten von Beschäftigten und Gepflegten. Nach der erfolgten Ablehnung kritisierte er „die mangelnde Solidarität“ des Wohlfahrtsverbandes. „Ein allgemein verbindlicher Tarif Altenpflege hätte für Tausende zumeist bei privaten Anbietern beschäftigte Menschen ein Ende von Dumpinglöhnen bedeutet“, sagte er. „Mit ihrer Verweigerungshaltung hat die Dienstgeberseite den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Caritas massiv beschädigt.“
Stark enttäuscht über die Entscheidung der Caritas ist auch Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di Bundesvorstand: „Die Beschäftigten leisten gerade auch in der Corona-Krise außerordentliches. Jetzt müssen sie konstatieren: Nach dem Klatschen kommt die Klatsche.“ In Richtung der Caritas sagte sie, der Wohlfahrtsverband mache sich mit der Ablehnung des Tarifvertrags unglaubwürdig. „Faktisch profitieren von dieser Entscheidung diejenigen privaten Arbeitgeber, die das eklatante Personalproblem in der Altenpflege durch schlechte Löhne und miese Arbeitsbedingungen verursacht haben“, so Bühler.
Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sprach von einem „bitteren Rückschlag“ und sagte, Pflegekräfte hätten mehr verdient als Mindestlöhne. „Wir werden weiterkämpfen, das sind wir den Beschäftigten schuldig“, so der Minister. Daher kündigte er an, erneut die Pflege-Mindestlohnkommission einzuberufen, welche über höhere Mindestlöhne und bessere Arbeitsbedingungen in der Branche entscheiden könne.
Parallel dazu forderte er Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dazu auf, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, „der die Refinanzierung der Leistungen aus der Pflegeversicherung konsequent an das Vorhandensein von Tarifverträgen bindet“.
Passend zum Thema die Pressemitteilung des Verbands diakonischer Dienstgeber in Deutschland (V3d) „Schade um die verlorene Zeit“ vom 26.02.2021:
https://www.v3d.de/unsere-veroeffentlichungen/aktuelles/newsdetail/news/pressemitteilung-schade-um-die-verlorene-zeit/