§ 17 der Arbeitsvertragsrichtlinien in Kurhessen/Waldeck ersatzlos gestrichen.
In § 17 der Arbeitsvertragsrichtlinien in Kurhessen/Waldeck (AVR/KW) wurde bestimmt, unter welchen Umständen und mit welchen Regeln eine Einrichtungsleitung mit der Mitarbeitervertretung (MAV) in schwierigen (finanziellen) Situationen Dienstvereinbarungen schließen durfte, um die Leistungsangebote und damit unter Umständen den Fortbestand einer Einrichtung zu sichern.
So musste z.B. die „schwierige Wettbewerbssituation“ der MAV mit entsprechenden wirtschaftlichen Unterlagen belegt werden (Jahresabschluss, Wirtschaftlichkeitsberechnung usw.) und die MAV hatte das Recht in erforderlichem Umfang Experten hinzuzuziehen. Zusätzlich musste der Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen der Diakonie Hessen (GAMAV/DH) beratend hinzugezogen werden und die Dienstvereinbarung der Arbeitsrechtlichen Kommission zugeleitet werden, die bewerten musste, ob alle Regeln nach § 17 eingehalten wurden.
Inhaltlich durften bis zu einem Gesamtvolumen von 6 % entweder die Entgelte abgesenkt oder die wöchentliche Arbeitszeit ohne Lohnausgleich erhöht oder eine Kombination von beidem vereinbart werden.
Nachdem zuvor auch die Anlage 17 zur AVR/KW durch die Arbeitsrechtliche Kommission kassiert wurde, gibt es nun keine kirchenrechtliche Möglichkeit für Leitung und MAV gemeinsam eine wirtschaftlich Notlage oder eine „schwierige Wettbewerbssituation“ innerbetrieblich anzugehen.
- Stattdessen muss nun die Einrichtungsleitung die MAV lediglich über die wirtschaftliche
Situation und die geplanten Maßnahmen mittels definierter Unterlagen informieren. - Das Recht einer MAV, Experten hinzuzuziehen ist jetzt auf 8 bzw. 16 Stunden bei großen
Einrichtungen begrenzt. - Das Volumen einer Entgeltabsenkung kann bis zu 15% betragen.
- Die Dauer der Entgeltabsenkung kann bis zu 6 Jahre betragen.
- Die Arbeitsrechtliche Kommission prüft lediglich formal, ob alle erforderlichen Unterlagen
vorliegen, es gib an keiner Stelle die inhaltliche Überprüfung der Notlagenbehauptung.
Die Arbeitnehmerseite der Arbeitsrechtlichen Kommission ist durch Vertreter des VKM und der Kirchengewerkschaft besetzt, diese haben die Abschaffung offenbar mit vorangetrieben.
Der Vorsitzende der Kirchengewerkschaft in Hessen etwa feiert die Abschaffung als „wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung des kollektiven Arbeitsrechts“ (siehe „Informationen der Kirchengewerkschaft, Hamburg, 28-2019).
Nur leider ist das Gegenteil der Fall:
Die konsequente Abschaffung aller Möglichkeiten zwischen Einrichtungsleitungen und Mitarbeitervertretungen auf Augenhöhe in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – auch zur Wahrung des Betriebsfriedens – innerbetrieblich gute Lösungen zu suchen ist dahin.
Stattdessen hat die Arbeitgeberseite alle Macht, die örtlichen MAVen dürfen zuschauen und die Arbeitsrechtliche Kommission nickt die Vollständigkeit der eingereichten Papiere ab.
Es ist schon merkwürdig, dass ausgerechnet die Arbeitnehmervertreter der Arbeitsrechtlichen Kommission die ersatzlose Streichung von fundamentalen Mitwirkungsrechten von MAVen in hochwichtigen Fragen als großen Sieg feiern.
Für den GAMAV DH
Thomas Nerke und Reiner Friele